Dr. Rainer Kemper Lehrbeauftragter Uni Münster u. Paris X

Betreuungsrecht - Rechtfertigung einer Zwangsbehandlung

1. Staatliche Schutzpflichten aus Art. 2 II S. 1 und 2 GG gegenüber einer untergebrachten Person können eine Zwangsbehandlung nicht rechtfertigen, wenn diese die in Rede stehende Behandlung im Zustand der Einsichtsfähigkeit durch eine Patientenverfügung wirksam ausgeschlossen hat.

 


2. Der Vorrang individueller Selbstbestimmung auf der Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt voraus, dass der Betroffene seine Entscheidung mit freiem Willen und im Bewusstsein über ihre Reichweite getroffen hat. Seine Erklärung ist daraufhin auszulegen, ob sie hinreichend bestimmt und die konkrete Behandlungs- und Lebenssituation von ihrer Reichweite umfasst ist.

 


3. Die staatliche Pflicht zum Schutz der Grundrechte anderer Personen, die mit dem Betroffenen in der Einrichtung des Maßregelvollzugs in Kontakt treten, bleibt unberührt. Die autonome Willensentscheidung des Patienten kann nur so weit reichen, wie seine eigenen Rechte betroffen sind. Über Rechte anderer Personen kann er nicht disponieren.

 


4. Sieht der Gesetzgeber die Maßnahme einer Zwangsbehandlung derjenigen Person vor, von der die Gefährdung anderer ausgeht, so ist er dabei an den Grundsatz strikter Verhältnismäßigkeit gebunden. Strenge materielle und verfahrensrechtliche Anforderungen müssen sicherstellen, dass die betroffenen Freiheitsrechte nicht mehr als unabdingbar beeinträchtigt werden.

 

 

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31.10.2021

Informationen

Bundesverfassungsgericht
Urteil/Beschluss vom 08.06.2021
Aktenzeichen: 2 BvR 1866/17, 2 BvR 1314/18

Quelle

§ 1906 BGB

Fachlich verantwortlich

Dr. Rainer Kemper Lehrbeauftragter Uni Münster u. Paris X

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