Prof. Dr. Patrick Gödicke RiOLG, Frankfurt a.M./Karlsruhe

Dokumentation und DS-GVO - c) bei konfessionsgebundenen Trägern: DS-GVO überhaupt anwendbar?

Der Fall:

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von weiterer Prozesskostenhilfe für einen behaupteten Auskunfts- und Schmerzensgeldanspruch nach der DS-GVO gegen die Beklagte, ein konfessionelles Krankenhaus. Sie ist der Ansicht, die DS-GVO greife ein, da es sich bei dem Betrieb des Krankenhauses um eine rein wirtschaftliche Betätigung der Beklagten handele, die sich nicht vom Betrieb anderer, nicht konfessioneller Krankenhäuser unterscheide. Die Beklagte meint demgegenüber, in datenschutzrechtlicher Hinsicht sei nicht die DS-GVO, sondern das Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland („"DSG-EKD“) anwendbar, da sie gem. Art. 91 DS-GVO als kirchliche Einrichtung deren Anwendbarkeit nicht unterliege.

Das Landgericht wies den Antrag zurück.

 

Die Entscheidung des Gerichts:

Das Oberlandesgericht bestätigte die Zurückweisung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht. Gem. Art. 91 DS-GVO dürften, wenn eine Kirche oder eine religiöse Vereinigung oder Gemeinschaft in einem Mitgliedstaat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung umfassende Regeln zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung anwende, diese Regeln weiter angewandt werden, sofern sie mit dieser Verordnung in Einklang gebracht würden. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt habe, folge hieraus, dass die kirchenrechtlichen Datenschutzregeln vorrangig anwendbar sind, wenn sie mit der DS-GVO in Einklang gebracht werden könnten und bereits vor Inkrafttreten der DS-GVO bestanden hätten: „Dies ist bei dem DSG-EKD der Fall […]. Die Beklagte als Trägerin von diakonischen Krankenhäusern fällt aufgrund ihres Bezugs zur Evangelischen Kirche unter das Merkmal "Kirche", auch wenn es sich bei ihr um eine selbständige, privatrechtlich (nämlich als GmbH) organisierte Einrichtung der Kirche handelt. Der Senat schließt sich hierbei der Ansicht des Landgerichts an, dass von den zahlreichen vertretenen Auffassungen […] vorliegend mit der differenzierenden Ansicht darauf abzustellen ist, ob es sich bei der Tätigkeit der Beklagte um eine solche aus dem Kernbereich der Kirche handelt, was vorliegend zu bejahen ist. Hierfür spricht, dass sich zunächst aus Art. 91 DS-GVO selbst keine Einschränkung ableiten lässt. Der Anwendungsbereich ist entsprechend weit auszulegen […]. Dementsprechend wird vertreten, dass auch Tätigkeiten von Religionsgemeinschaften von Art. 17 Abs. 1 AEUV umfasst sind, wenn auch nur in sehr restriktivem Maße. Eine typische Tätigkeit von Religionsgemeinschaften ist bspw. der Betrieb von karitativen Krankenhäusern. Träger dieser kirchlichen Krankenhäuser ist jedoch zumeist eine GmbH. Folglich handelt es sich um privatrechtliche Einrichtungen einer Religionsgemeinschaft. Es lässt sich demnach vertreten, dass auch privatrechtliche Einrichtungen von Religionsgemeinschaften in den Schutzbereich des Art. 17 AEUV fallen und damit auch nach Art. 91 vom Anwendungsbereich der DS-GVO ausgenommen und dem kirchlichen Datenschutz unterstellt sind“.

 

Der vorliegende karitative Betrieb des Krankenhauses der Beklagten unterliege nicht dem Anwendungsbereich der DS-GVO: „Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist hierbei zu berücksichtigen, ob nach kirchlichem Selbstverständnis durch den Betrieb des Krankenhauses eine dem religiösen Auftrag der Kirche entsprechende und dem Zweck kirchlicher Fürsorge gegenüber den Menschen dienende Aufgabe erfüllt werden soll. Dabei ist nicht nur dann der Kernbereich kirchlicher Aufgaben betroffen, wenn es um direkte Seelsorge geht. Entscheidend ist, ob die Kirche mit der Einrichtung ihren Aufgaben gerecht werden will. Hierzu gehören nach dem Selbstbild der Kirche insbesondere auch karitative und fürsorgliche Aufgaben, wozu nicht nur ehrenamtliche bzw. unentgeltliche Betreuungsaufgaben zählen, sondern auch der notwendigerweise wirtschaftliche Betrieb von Betreuungsangeboten für hilfsbedürftige Menschen, wie z.B. von Kindergärten, Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern. Dies ist vorliegend der Fall. Zutreffend hat das Landgericht insoweit auch darauf verwiesen, dass sich der karitative Aspekt der kirchlichen Trägerschaft auch aus den eigenen Ausführungen der Beklagten auf ihrer Krankenhaus-Homepage ergibt. Dort wird unter der Rubrik "über uns" die persönliche Zuwendung als eine ihrer besonderen Stärken bezeichnet, wobei sich aus dem grundlegenden christlichen Selbstverständnis – dem Dienst am Menschen – die hohe Qualität von Pflege und Medizin ableite. Als evangelische Einrichtung sei das Unternehmen fest in einem christlichen Weltbild verankert.“

 

Schließlich habe das Landgericht auch zutreffend ausgeführt, dass das Begehren der Klägerin auch nicht als ein Auskunftsbegehren nach § 19 DSG-EKD ausgelegt werden könne. Zum einen stehe dem bereits der Wortlaut der Anträge entgegen, in denen sie ihr Begehren nur auf die DS-GVO stütze, zum anderen habe die Klägerin deutlich gemacht, dass sie eine Auskunft nach dem DSG-EKD ausdrücklich nicht begehre.

 

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13.07.2023

Informationen

OLG Hamm
Urteil/Beschluss vom 23.09.2022
Aktenzeichen: 26 W 6/22

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