Dr. Markus Schäpe FA f. VerkR

BVerwG: Wann sind mehrere Alkoholfahrten wiederholt i.S.v. § 13 S. 2 Nr. 2b FeV?

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 14. Dezember 2023 (Az.: 3 C 10.22) klargestellt, dass für die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) wegen wiederholter Zuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss gemäß § 13 S. 1 Nr. 2b FeV der Betroffene in mindestens zwei, vom äußeren Geschehensablauf her eigenständigen Lebenssachverhalten Zuwiderhandlungen begangen haben muss.

 

Die Klägerin fuhr 2015 alkoholisiert auf einem Supermarktparkplatz zum Einkaufen. Nach dem Einkauf stieß sie beim Ausparken mit 0,68 Promille rückwärts gegen einen anderen PKW. Sie stieg aus, schaute sich den Schaden an und fuhr nach Hause, ohne die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Dafür wurde die Fahrerin wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tatmehrheit mit Unfallflucht und vorsätzlicher Trunkenheit verurteilt. Ihre Fahrerlaubnis wurde entzogen.

 

Die Gründe für eine Anordnung der MPU sind abschließend in § 13 FeV geregelt. Danach muss jeder zur MPU, der ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit 1,6 Promille oder mehr führt, um Zweifel an der Fahreignung auszuräumen (§ 13 S. 1 Nr. 2c FeV). Sollten Ausfallerscheinungen fehlen oder sonstige besondere Umstände (z.B. Restalkohol) vorliegen, besteht bereits ab 1,1 Promille die Vermutung einer „Giftfestigkeit“ und damit die Vermutung von Alkoholmissbrauch (§ 13 S. 1 Nr. 2a 2.Alt. FeV). Niedrigere Alkoholwerte berechtigen demnach nur dann zu Eignungszweifeln und damit zur Anordnung der MPU, wenn wiederholte Zuwiderhandlungen in Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden (§ 13 S. 1 Nr. 2b FeV). Wann aber ist von „wiederholten Zuwiderhandlungen“ zu sprechen?

 

Nach § 13 S. 2 FeV reichen hierfür Verstöße gegen das Alkoholverbot für Fahranfänger (§ 24c StVG) nicht aus. Im Übrigen spielt es keine Rolle, ob es sich um Ordnungswidrigen nach § 24a Abs. 1 StVG oder um Straftaten nach § 316 StGB oder § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB. Verwertbar ist eine ältere Alkoholfahrt dann, wenn die neue Tat vor Ablauf der Tilgungsfrist begangen und die Behörde ihre Maßnahme vor Ablauf der einjährigen Überliegefrist ergreift. Mit Ablauf der Überliegefrist tritt die Löschung und damit die absolute Unverwertbarkeit ein.

 

Kann es aber auch dazu kommen, dass zwei Alkoholfahrten am selben Tag zur wiederholten Zuwiderhandlung führen? Durchaus: Wer am frühen Abend leicht alkoholisiert in eine Polizeikontrolle gerät und deshalb den Autoschlüssel aus Sicherheitsgründen abgeben muss, kann Stunden später mit höheren Werten z.B. mit dem E-Scooter erwischt werden. Reicht es aber für die wiederholte Zuwiderhandlung aus, dass jemand betrunken zum Einkaufen fährt, einkauft und danach betrunken wieder heimfährt? Oder gar, dass jemand betrunken einen Unfall verursacht und sich danach unerlaubt und unverändert betrunken von der Unfallstelle entfernt? So sah dies die Fahrerlaubnisbehörde und forderte im Rahmen der beantragten Neuerteilung im Jahr 2018 ein MPU-Gutachten wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss: Zwischen den beiden Fahrten (Unfallverursachung bzw. Weiterfahrt) liege mit dem Aussteigen aus dem Fahrzeug und der Begutachtung des Schadens eine Zäsur.

 

Da die Klägerin kein Gutachten vorlegte, lehnte der Beklagte die Fahrerlaubniserteilung ab. Auch ihre Klage vor dem VG Düsseldorf blieb ohne Erfolg. Erst das OVG Münster gab ihrem Einwand recht und verpflichtete die Behörde zur Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis ohne MPU. Die hiergegen gerichtete Revision der Behörde blieb ohne Erfolg: Die Rechtsgrundlage setze nämlich voraus, dass es bei natürlicher Betrachtungsweise zu mindestens zwei deutlich voneinander abgrenzbaren Trunkenheitsfahrten gekommen sein muss. Das wurde verneint: Der Ausparkunfall mit Aussteigen und Schadensbetrachtung sei nur eine kurzzeitige Unterbrechung gewesen. Dies stelle (auch bei Gesamtbetrachtung mit der vorherigen Fahrtunterbrechung für den Einkauf) keinen neuen und eigenständigen Lebenssachverhalt dar.

 

Wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach

§ 13 Satz 1 Nr. 2 b FeV liegen nur dann vor, wenn der Betroffene in zwei „vom äußeren Geschehensablauf her eigenständigen Lebenssachverhalten“ unterschiedliche Zuwiderhandlungen begangen hat. Wenn dagegen eine Trunkenheitsfahrt nach einem Einkaufsstopp oder einem alkoholbedingten Unfall in Kenntnis der eigenen Fahruntüchtigkeit fortgesetzt wird, liegt regelmäßig ein einheitlicher, also gerade kein unterschiedlicher Geschehensablauf vor.

 

Fahrerflucht nach alkoholbedingtem Unfall ist nichts Ungewöhnliches und wird prozessual in Tatmehrheit einer fahrlässigen Alkoholfahrt mit Gefährdung in Tatmehrheit mit der vorsätzlich begangenen Weiterfahrt geahndet. Diese prozessuale Teilung genügt nicht für § 13 S. 1 Nr. 2b FeV, für den zwei verschiedene (und nicht nur prozessual getrennte) Lebenssachverhalte erforderlich sind. Das Urteil des BVerwG ist stellt klar, dass Lebenssachverhalte nicht „künstlich getrennt“ werden dürfen. Dies dient der Rechtssicherheit und bestätigt die bisher vorherrschende Rechtspraxis.

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05.02.2024

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